Inszenierung
Peer Gynt
von Henrik IbsenRegie: Kathrin Sievers
Bühne/Kostüme: Anja Müller
Choreografie: Marcus Grolle
Videodesign: Tim Zielke
Inszenierung 2017
Fotos: Božica Babić
einen Ausschnitt gibt es auf YOUTUBE:
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Kritiken:
WZ
26.10.17
Ein Egomane geht auf der
Bühne auf Weltreise
Von Florian Sawatzki
Die
Darsteller des Seniorentheaters überzeugen in der neuen Produktion „Peer
Gynt“ mit wunderbarem Spielwitz.
Die Laiendarsteller sind zwischen 36 und
91 Jahren alt.Auch vor 150 Jahren gab es viele Menschen, die sich zu
Höherem berufen fühlten. Die mehr aus sich machen, sich selbst optimieren
wollten. Peer Gynt aus dem gleichnamigen Stück des Norwegers Henrik Ibsen
ist genau so jemand. „Das ganze Dorf wird mir zu Füßen lügen“, posaunt er
heraus. Von den anderen Bewohnern wird er allerdings lediglich als Angeber,
Großmaul und Lügner beschimpft. Er wird in Schlägereien verwickelt, raubt
eine Braut an ihrem Hochzeitstag und wird schließlich für vogelfrei erklärt.
Thema sind die wichtigsten Lebensstationen.
Das Seniorentheater Seta hat
sich dem Stoff in seiner neuen Produktion nun angenommen, beschränkt sich
dabei aber auf die wichtigsten Lebensstationen Peer Gynts. Und so geht es,
nachdem er vogelfrei aus dem Dorf geflohen ist, im Zeitraffer durch mehrere
Jahrzehnte. Der Titelheld wird dabei von sechs unterschiedlichen Darstellern
verkörpert, um das voranschreitende Lebensalter Gynts abzubilden. Das mag
beim ersten Darstellerwechsel noch etwas verwirren, entpuppt sich aber als
guter Einfall.In wechselnden Szenen ist Gynt mal als zwielichtiger
Geschäftsmann in Marokko, mal als Beduinenhäuptling und Prophet in der Wüste
oder als Schiffbrüchiger auf hoher See zu sehen. Um die sehr
unterschiedlichen Szenerien darzustellen, arbeitet die Produktion mit
Videosequenzen, die auf weiße Leinwände projiziert werden.
Das mag
technisch nicht unglaublich ausgereift sein, reicht aber allemal, um den
Szene eine stimmige visuelle Komponente beizufügen. Abwechslungsreiche
Musik, mal jazzig, mal volkstümlich, mal orientalisch, reichern das
unstetige Leben von Gynt an.
Als gebrochener Mann kehrt der einstige
Egomane schließlich ins Dorf zurück. „Das Leben ist so glatt wie ein Aal“,
stellt er fest. „Versucht man es festzuhalten, schlüpft es durch die
Finger.“ Sein Wunsch, Kaiser der Welt zu werden, ging nicht in Erfüllung.
Und doch hat das Ende seiner Lebensreise, die in der Inszenierung von
Kathrin Sievers nach eineinhalb Stunden abschließt, etwas
tröstend-versöhnliches.
Für das 22 Mitglieder starke Seta-Ensemble gibt
es bei der Premiere am Mittwochabend minutenlangen Beifall von den
ausverkauften Rängen im FFT Juta. Expressiv und mit Spielwitz überzeugen die
Laiendarsteller zwischen 63 und 91 – da kann man locker über einige
Texthänger hinwegsehen.
Ob als bauchfreitanzende Wüstenversuchung oder
als liebestolle Sennerinnen, die den mit seiner Potenz prahlenden Gynt
verführen – man merkt, das hier gestandene Persönlichkeiten auf der Bühne
stehen, die aufgrund ihres gereiften Alters frei aufspielen können. Es ist
gerade dieser Umstand, der auch die neueste Produktion des 1989 in
Düsseldorf gegründeten Seniorentheaters zu einem kurzweiligen Sehvergnügen
für das Publikum macht.
Rheinische Post 28.10.2017
Sechs Senioren spielen Peer Gynt
Das Seniorentheater bringt Henrik Ibsens dramatisches Gedicht auf die Bühne
des FFT.
Von Claus Clemens
Die Mutter weiß es längst: "Peer, das
lügst du." Und auch Peers Antwort ist die Wiederholung eines Rituals: "Nein,
es ist wahr." Mit diesem Wortwechsel ist das Hauptthema des dramatischen
Gedichts "Peer Gynt" schon angeschlagen. Henrik Ibsen zeigt hier einen
Aufschneider, Träumer und Fantasten, der nicht ohne Charme lügt und das
Parkett bezaubert. Aber er ist auch ein Egoist und Versager, der sich in die
unproduktive Fantasterei, in die selbstbeschönigende Lüge flüchtet.
Ibsens Eingangsszene bildet auch den Beginn der neuen Inszenierung des
Seniorentheaters "SeTa". Seit 25 Jahren bringt die Truppe unter
professioneller Leitung immer wieder klassische Dramen auf die Bühnen des
Forums Freies Theater. Für "Peer Gynt" hat man die Regisseurin Kathrin
Sievers verpflichtet. Sie strich den 100-Seiten-Text auf etwa ein Drittel
zusammen. Immer noch genug für das Ensemble aus zehn Männern und zwölf
Frauen im Alter von 63 bis 91 Jahren.
Es sind also insgesamt 22
Darsteller, die den Prahlhans Peer Gynt bei seinen erlebten und erfundenen
Abenteuern in Norwegen und "außen herum" um die halbe Welt begleiten. Gleich
sechs von ihnen macht die Regisseurin zum Titelhelden. Ein hervorragender
Einfall, denn so wird Peers Abenteuer auch zu der von Ibsen beabsichtigten
Lebensreise. Eine große Felltasche dient als Staffelholz, wenn der eine Peer
mit dem nächsten die Rolle tauscht.
Mit beweglichen Stellwänden, karger
Kulisse, aber vielen prächtigen Kostümen lässt Kathrin Sievers die
unglaublichen Welten entstehen, in denen Peer Gynt davon träumt, Kaiser
eines Universalimperiums zu werden. Erst ganz zum Schluss muss er erkennen:
"Ich bin wie eine Zwiebel, ich habe viele Hüllen, aber keinen Kern." Den
Auslöser dieser märchenhaften Verstiegenheit bildet der Mythos vom Reich der
Trolle im norwegischen Hochgebirge. Dort herrscht der selbstsüchtige
Grundsatz "Sei dir selbst genug" als Gegenbild zum Gebot der Menschenwelt:
"Sei du selber". Der musikalische Teil dieser Inszenierung, die noch heute
(20 Uhr) und morgen (15 Uhr) im Juta zu sehen ist,
stammt überraschenderweise nicht von Edvard Grieg. Mit Jazznummern von Miles
Davis und Weltmusik schafft Sievers wechselnde, durchweg passende Stimmungen
und erleichtert so die Arbeit der Laiendarsteller.
Wenn der letzte, der
gebrechlichste Peer nach 95 überaus spannenden Minuten zu seiner Jugendliebe
Solveig zurückkehrt, hat eine beachtliche Amateurleistung ihren Schlusspunkt
gefunden.
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